Rechte für menschen mit behinderung
Die ersten Schritte
Beginnen wir mit der Recherche in den 50er Jahren. Hier setzte die Wende nach der NS-Zeit für Menschen mit Behinderung ein.
Zuvor litten auch sie stark unter der systematischen Verachtung in der NS-Zeit. Ohne genauer ins Detail zu gehen, kann man sich sicher vorstellen, wie grausam der Umgang zu dieser Zeit war. Deshalb ist es auch schade, dass erst 2007 nationalsozialistische Gesetze für ungültig erklärt wurden.
Am 16. Juni 1953 wurde das „Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter“ beschlossen. In diesem wird die gesetzliche Definition einer Schwerbehinderung erklärt. Doch das Besondere ist die erstmalige Pflicht der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. Dieses Gesetz wurde mit der Zeit aktualisiert. Zum Beispiel wurde 1986 die Beurteilung der Behinderung verändert. Nun wurden auch soziale Aspekte bei der Beurteilung berücksichtigt.
Eine der bekanntesten Gesichter im Zusammenhang mit dem Aktivismus für Rechte für Menschen mit Behinderung ist der Amerikaner Ed Roberts. Er wird sogar als Vater der Behindertenbewegung betitelt. Der Auslöser für seinen Aktionismus, war eine persönliche Auseinandersetzung mit einem Beamten, der ihm den Schulabschluss verweigerte und dies nur, weil er keinen Führerschein hatte oder am Sportunterricht teilnahm bzw. nicht konnte, denn er saß aufgrund der Erkrankung an Kinderlähmung im Rollstuhl. So wurde er der Begründer der US-amerikanischen Independent-Living-Bewegung. Sie setzte sich in den 60er Jahren für ein selbstbestimmtes Leben und der Selbsthilfe ein. Darunter zählten auch die Angebote zur Rechtsberatung, Arbeitsvermittlung, Netzwerken und Beratung von Familien. Ein wichtiger Punkt ist, dass hier Menschen beraten und unterstützen, die selbst eine ähnliche Behinderung haben und somit aus eigener Erfahrung sprechen. Seit 1979 sind diese Zentren zudem anerkannt und werden durch den Staat subventioniert.
Parallel hierzu entstanden in Deutschland ähnliche Bewegungen, doch bis heute ist noch kein flächendeckendes Netz mit diesen Angeboten entstanden.
1919 wird die Schulpflicht eingeführt, doch für Menschen mit geistiger Behinderung gilt dies erst April 1965 (Baden-Württemberg). Daraufhin folgten mithilfe der Eltern der Auf- und Ausbau von Sonderschulen. Heute ist der gemeinsame Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderung auch an allgemeinen Schulen so organisiert, dass für alle Schüler derselbe Bildungsplan gilt.
Seit den 70er Jahren verstärkte sich der Aktivismus in Deutschland. Pioniere auf diesem Gebiet waren Gusti Steiner und Ernst Klee. Sie setzten sich nicht nur für räumliche Barrierefreiheit ein, sondern beeinflussten auch die Annahmen anderer. „Die Aktivisten leiteten einen Bewusstseinswechsel ein: Behinderung sahen sie als etwas Politisches an, nicht als einen Gegenstand der Fürsorge.“
https://www.aktion-mensch.de/inklusion/recht/hintergrundwissen/recht-einstieg
1981 wurde von der UNO als internationales „Jahr der Behinderten“ deklariert, doch auch hier hatte man wieder das Gefühl der Andersartigkeit und Fürsorge, statt der Gemeinschaft und Teilhabe. Dies waren von Beginn an die Hauptthemen, die geändert werden sollten. Doch selbst nach 10 Jahren Einsatz konnte das Bewusstsein noch nicht zum Umdenken bewegt werden.
Bis 1992 waren Menschen mit Behinderung einem Vormund unterstellt, dies änderte sich in diesem Jahr dahingehend, dass nur noch Minderjährige in Deutschland unter eine Vormundschaft fallen, sofern es nicht anders von einem Gericht festgelegt wurde.
Die Behindertenbewegung in Deutschland war stets aktiv, bis endlich 1994 ein Verbot der Benachteiligung von Menschen mit Behinderung in Kraft trat. Dies war ein Meilenstein. In den USA wurde bereits 1975 eine Erklärung für den Schutz von Menschen mit Behinderung vor Diskriminierung veranlasst.
Wir kommen in den 2000er Jahren an und auch wenn eine Benachteiligung 1994 verboten wurde, galt es weiterhin als Konflikt Menschen mit Behinderung einzugliedern und als gleichberechtigt zu erachten. Dies sollte sich 2002 mithilfe des Behindertengleichstellungsgesetzes ändern. Es soll die gleichberechtigte Teilhabe sicherstellen und bestimmt die Pflicht der Barrierefreiheit.
Barrierefreiheit lässt sich in drei Bereiche gliedern. Einerseits in räumliche bzw. bauliche Barrierefreiheit, zudem in digitale Barrierefreiheit und andererseits in kommunikative Barrierefreiheit. Der erst genannte Punkt wird gesetzlich gefordert, jedoch basieren diese Konzepte auf Standardmaßen der menschlichen Körper. So kommt es dazu, dass die Ergebnisse stigmatisiert und rein funktional ausgerichtet sind, doch oft sind sie gar nicht individuell verwendbar, vor allem weil private Unternehmen seltener zur Barrierefreiheit verpflichtet sind.
Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz oder auch Antidiskriminierungsgesetz wurde im August 2006 erlassen. Hier wurde zum ersten Mal in Deutschland gesetzlich verankert, dass die Diskriminierung durch private und wirtschaftliche Akteure, wie Arbeitgeber, Vermieter oder Geschäften und Restaurants, behandelt.
die UN-Behindertenrechtskonvention
Ein weiterer Meilenstein war im März 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention. Hier werden Menschen mit Behinderung nicht mehr als krank definiert. Die Behinderung erfolgt durch die Umwelt, Strukturen oder der Gesellschaft. Durch diese Konvention verpflichtete sich Deutschland zudem zur Erfüllung und Berichterstattung der Fortschritte. „Die Umsetzung der UN-BRK ins deutsche Recht ist umstritten: Wie alle deutschen Gesetze und andere Rechtsvorschriften müssen auch Vorschriften der UN-BRK so ausgelegt werden, dass die Auslegung nicht verfassungswidrig ist. […]auf bundesrepublikanische Verhältnisse ist sie (die UN-BRK) damit nicht zugeschnitten. Rechtlich beschränkt sich die Wirkungsweise der Konvention im nationalen Rahmen auf die Funktion eines Auslegungsgrundsatzes. Rechte auf Leistungen oder politische Gestaltungspflichten enthält sie im Regelfall nicht“
Das bundesteilhabegesetz
2016 wird das Bundesteilhabegesetz erlassen und wird in vier Schritten umgesetzt. Ab dem 1. Januar 2023 tritt die letzte Stufe in Kraft. Auch dieses Gesetz soll zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung beitragen und betrifft diverse Anspruchsbereiche, wie soziale Teilhabe, Teilhabe am Arbeitsleben oder an der Bildung. Doch auch wenn eine gute Absicht hinter dem Bundesteilhabegesetz steckt, gibt es auch vermehrt Kritik: „der leistungsberechtigte Personenkreis würde eingeschränkt, die Bevormundung durch Behörden steige, durch die Kostenneutralität en[t]stehe ein Sparzwang und der geplante Bürokratieabbau lasse sich nicht realisieren.“
0 Kommentare